Freitag, 3. Mai 2013

Heute bei der Krankenkasse:
Ich stelle einen Antrag für eine Kur an der Nordsee für mein Zwergenmädchen. Sie ist fünf, leidet an ziemlich oft wiederkehrender Bronchities, jetzt hat sie auch noch diverse Allergien gegen Gräser entwickelt. Es wird wohl Zeit, dass wir mal ein paar Wochen an der Nordsee verbringen. Dort soll es das Reizklima dann schaffe, dass sie zumindest für eine Weile wieder Ruhe hat. Und ich erhoffe mir davon etwas weniger Krankheiten im nächsten Winter.  Da mein Zwergenbübchen immer so gerne mit seiner Schwester teilt und entweder die Viren mitbringt oder sich bei ihr ansteckt, hat ihm der Kindarzt ebenfalls eine Kur verordnet. Schaden kann es nicht und mit muss er ja sowieso.

Die Sachbearbeiterin ist ungefähr 25 Jahre alt. Sie empfängt uns ganz freundlich und nachdem wir ihr die Papier vom Kinderarzt vorgelegt haben, fängt sie auch gleich an ihren Computer zu traktieren.

"Ist das eine Mutter-Kind Kur?"
"Nein, das ist eine Kur, weil die Beiden so oft Atemwegserkrankungen haben."
"Aha." sie zieht die Stirn etwas kraus und hämmert weiter auf den Computer ein.
"Es sind also nur die Kinder betroffen?"
"Ja." bestätige ich. Derweil hat mein Zwergenmädchen schon alle Stifte auf dem Boden verteilt. Mein Zwergenbübchen übt sich im Schreibtisch-Slalom auf dem BobbyCar.
"Sie wollen also keine Anwendungen bekommen? "
Wollen will ich schon. Da es aber eine Kur für die Kinder werden soll, verneine ich erstmal. Parallel springe ich auf und kann grade noch einen großen Pflanztopf mit einer Palme vor dem Zusammenstoss mit dem BobbyCar bewahren.
Die zweite Sachbearbeiterin, die etwas versierter wirkt, wird hinzugezogen. Es werden Fragen per Telefon weitergeleitet und beantwortet. Ich kriege den größten Teil nicht mit, weil ich gerade das Fahrzeug sicher verstaue und einem zornigen kleinem Zwerg klar mache, dass man keine Crash-Tests mit fremdem Eigentum durchführen darf.

Eine etwas betagtere Kollegin der beiden Anderen gibt den Kindern Luftballons und Gummibärchen: "Oh, die sind schon etwas hart. Die liegen da wohl schon länger rum. Aber ihr könnt ja mal schauen, ob sie noch was sind."
Wie bitte???
Mein Zwergenbübchen kommt auch gleich darauf strahlend mit dem Päckchen zu mir, wir packen die steinharten Bärchen aus. Das Geschrei ist herzzereissend, als ich ihn auf später vertröste. Nein, die Bärchen kann man wirklich nicht mehr essen! Na herzlichen Dank auch.

Schließlich schafft es ihre jüngere Kollegin doch noch, die erforderlichen Informationen zusammen zu tragen und die Anträge aus zu drucken bevor mein kleiner Zwerg zum vollendeten Wutbürger wird.
"Also, das sind die Anträge für die Kur für ihre beiden Kinder Diese hier" sie wedelte mit ein paar blauen Zetteln herum" sind für den Kinderarzt. Und diese die anderen sind für sie."
Super, meine sind sogar farblich anders gestaltet. So kann man sie wenigstens nichts verwechseln.
Sie schaut prüfend darauf. "Ich hab hier schon mal angefangen die Daten einzutragen, sie können dann die fehlenden Informationen noch dazu schreiben und hier " sie tippt mit dem Kugelschreiber auf eine Stelle "unterschreiben."
Ich komme mir ein bisschen wie ein Kleinkind vor, nicke aber höflich und sie packt mir die Unterlagen für mich und für den Kinderarzt in einen Umschlag.
"Okay, alles klar." Ich weiss jetzt schon, dass ich einen akuten Anfall von Aufschieritis bekommen werde, sobald ich die Unterlagen zu Hause auf den Schreibtisch legen werde. Vermutlich wird der Balkon dieses Wochenende noch eine solide Grundreinigung erhalten, ich werde Tischdecken und Bettwäsche bügeln. Und alles nur um danach fest zu stellen, dass sich der Kurantrag immer noch nicht von alleine ausgefüllt hat.

Ich will schon gehen als mein Zwergenmädchen aufspringt und mir in die Arme läuft.
"Gehen wir jetzt in Kur?" fragt sie. Sie freut sich nämlich bärig auf die Nordsee, weil sie letztes Jahr im Urlaub schon so begeistert davon war.
 Ich will schon antworten als mir die Sachbearbeiterin zuvor kommt.
"Sie wollen auch mit?" fragt sie mich etwas perplex.
Ich schaue von ihr auf die Kinder und wieder zurück. "Ja."
"Als Begleitperson?"
"Ja." Jetzt bin ich verwirrt. Wer soll denn sonst mit den Beiden an die Nordsee fahren?
"Also, dass müssen wir aber extra drauf schreiben!" sagt sie und wedelte sofort mit dem Kugelschreiber vor mir rum.
"Wir müssen extra erwähnen, dass zwei Kinder im Alter von drei und fünf Jahren eine Begleitperson, ihre Mutter, brauchen, wenn sie drei Wochen lang in Kur fahren?" ich denke sie macht einen Scherz, werde aber gleich eines Besseren belehrt.
"Ja natürlich. Das ist nicht üblich bei dieser Art von Kur."
"Es ist nicht üblich, dass so kleine Kinder" ich zeige auf meine beiden Zwerge die gerade einträchtig am Basteltisch hocken und sie folgt meinem Blick, "eine Begleitperson benötigen?" ich denke immer noch, dass sie mich vielleicht ein bisschen auf den Arm nehmen will.
"Das ist schließlich keine Mutter-Kind-Kur!" sagt sie sehr ernsthaft.
"Und glauben Sie, dass die Beiden alleine an die Nordsee fahren könnten?" ich deute noch einmal auf die Beiden, die inzwischen nicht mehr auf dem Papier malen, sondern den ganzen Basteltisch mit hübschen Ornamenten verzieren.
Sie stockt, schaut hinüber, zögert ein bisschen:
"Ja, das würde wohl etwas ... chaotisch werden, nicht wahr?" druckst sie herum und schreibt aber trotzdem einen Vermerk, damit wir nicht vergessen zu erwähnen, dass die Beiden eine Begleitperson brauchen. Sprachlos packe ich unsere Sachen zusammen und wir verlassen das Büro.

Also, wenn ihr demnächst mal alleinreisenden Kleinkindern im Zug Richtung Norden begegnet: die fahren alle in Kur und irgendwer hat auf dem Antrag vergessen zu erwähnen, dass eine Begleitperson mitfahren muss!